Lukas Kauderer
CX-Check #01 Lieferando – Warum Geld nicht alles aber dennoch wichtig ist
Wir beginnen unsere Serie von CX-Checks mit einem der klaren Profiteure der Corona-Pandemie: Die Lieferdienste. Genauer gesagt nehmen wir heute Lieferando, einen der größten Player bei den Lieferdienstanbietern in Deutschland, unter die Lupe. Wir möchten wissen, wie gut Lieferandos Customer Experience wirklich ist und was die größten Treiber für das Kundenerfahren darstellen, kurz was den Lieferando-Kunden am wichtigsten ist. Außerdem prüfen wir, wo Lieferando glänzt und wo es noch Luft nach oben gibt. Geld, Trinkgeld im Speziellen und Gutscheine spielen eine Rolle, so viel sei schon einmal verraten.

Über Lieferando.de – eine Marke von Just Eat Takeaway
Lieferando.de ist Teil von Just Eat Takeaway (anfänglich Citymeal), einem international operierenden Online-Anbieter von Lieferdienstleistungen für Gastronomie mit Sitz in Amsterdam. Lieferando wurde 2007 gegründet. Mittlerweile gehören auch pizza.de, foodora.de, lieferservice.de und lieferheld.de zur Marke. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres (2020) kam das Mutterunternehmen auf 257 Millionen Bestellungen, das sind fast ein Drittel mehr als im Jahr zuvor.
Ablauf der Customer Journey
Für diejenigen, die dem Lieferdienst bisher noch nicht verfallen sind, zeigen wir knapp den typischen Ablauf der Customer Journey bei Lieferando:

Hohe Sterne-Ratings bei niedrigerer Textbewertungszahl
Bei den nachfolgenden Auswertungen beziehen wir uns auf die Bewertungen aus den App-Stores von Google und Apple im Zeitraum 01.03.2020 - 01.09.2020, welche wir mit unserer Software ausgewertet haben.
Sowohl im App-Store von Apple als auch im Google Play Store kann Lieferando sehr gute Ratings (Sternevergaben) und somit einen äußert positiven Schnitt an Sternebewertungen vorweisen. Bei iOS sind es im Schnitt stolze 4,7 Sterne, bei Android 4,5.
Bei genauerer Betrachtung der durchschnittlichen Ratings in der Google-App zeigt sich eine zu Anfang des Jahres 2020 sehr starke Steigerungsrate (siehe Abbildung 2). Während und nach der Corona-Hauptphase (Mitte März bis Mitte Mai 2020) pendelt sie sich ein und sinkt schließlich ab Mitte Juli wieder ab. Dabei muss man jedoch beachten, dass wir uns in einem insgesamt hohen Rating-Niveau zwischen 4,45 und 4,55 Sternen bewegen. Im Apple App Store ist ein ähnlicher Verlauf angedeutet, wobei hier keine lückenlose Rating-Daten vorhanden sind, aufgrund der Apple Richtlinien.

Einen großen Unterschied zu den Ratings stellen die Bewertungen in Textform (Reviews) dar. Diese fallen in beiden App-Shops durchschnittlich immer geringer als die Ratings aus.
Während die Textbewertungen beim Google Play Store maximal einen halben Stern Unterschied aufweisen, sind es beim App-Store von Apple sogar über drei Sterne Unterschied. Bis zu einem gewissen Maß ist dies bei Apple-Reviews normal, da die iOS-User meistens kritischer bewerten. Allerdings ist der Unterschied hier besondersstarkausgeprägt, was später noch genauer untersucht wird.
Was die Kunden sagen – Geld und Gutscheine wichtige negative Treiber
Worüber sprechen aber nun die Kunden tatsächlich am meisten bei der Nutzung der App und was können mögliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Themen sein?
Die am häufigsten erwähnten Themen sind zu niemandes Überraschung „Bestellung, Essen und Restaurant“. Dabei haben „Essen und Lieferung“ durchschnittlich ein positives Sentiment, wohingegen die Themen „Geld und Gutschein“ (siebt- und achtwichtigste Themen) deutlich negativer besetzt sind. In der Visualisierung unserer App (siehe Abbildung 3) kann die Häufigkeit, mit der bestimmte Themen von Nutzern erwähnt werden, an der Größe der Themenkreise abgelesen werden:

Die Treiberanalyse, welche den Einfluss der genannten Themen auf das Rating untersucht, zeigt, dass eben die zwei negativer besetzten Themen „Gutschein und Geld“ die größten Treiber für eine Bewertung darstellen.
Dies ist in unserer Visualisierung (siehe Abbildung 4) daran zu erkennen, dass die Themen „Geld“ und „Gutschein“ weiter oben angeordnet sind, also der Einfluss auf die Sterne Bewertung höher ist als bei den Themen „Restaurant“, „Trinkgeld“ und „Bestellung“. Bei dem Thema „Gutschein“ liegt der Einfluss bei 1,6 Sternen, bei dem Thema „Geld“ bei 1,2 Sterne.
Das Potenzial dieser Themen ist gleichzeitig sehr hoch, da die Themen mit 55% und 70% sehr negative sind. Somit kann das Unternehmen Lieferando hier viel gewinnen und viel verbessern, was gleichzeitig einen hohen Einfluss auf die Zufriedenheit hat.
Des Weiteren ist noch zu erwähnen, dass die Größe der Kreise die absolute Häufigkeit der Nennungen angibt. Es ist also zu erkennen, dass obwohl die Themen „Geld“ und „Gutschein“ eher von weniger Leuten genannt werden, diese den größten Einfluss auf das Rating haben.

Schaut man sich die Treiberthemen im Detail an, lassen sich viele Zusammenhänge und Hintergründe für die jeweils negativen Sentiments einzelner Themen aufdecken:
So erklärt sich die negative Erwähnung des Themas „Gutschein“ dadurch, dass bei Nichtlieferung nur ein sehr kleiner Teil des bezahlten Betrags in Form eines Gutscheins erstattet wird. Laut Usern oftmals nur zwischen 10 und 30%.
Im Zusammenhang mit „Geld“ findet das Thema „Trinkgeld“ viel Erwähnung. Hintergrund dazu ist, dass Lieferando die Trinkgeldmodalitäten im Sommer geändert hatte. Es machte sich das Gerücht breit, dass die Fahrer das Trinkgeld gar nicht erhalten.
Dafür hagelte es für Lieferando viel öffentliche Kritik, was sich auch in den Bewertungen widerspiegelt. Hier wünschen sich die User vor allen Dingen mehr Transparenz. Zum Beispiel in der Form, dass auch auf dem Kassenzettel das gegebene Trinkgeld mit aufgelistet wird.
Betrachtet man die Bewertungen während und nach dem Lockdown, so ist eine positivere Stimmung während des Lockdowns zu erkennen. Dies ist vor allem auf die Dankbarkeit für das Angebot der Lieferung zurückzuführen. Dies ist auch daran zu erkennen, dass die Themen an sich größtenteils gleichgeblieben sind. Während des Lockdowns wurde zudem die Auswahl an Restaurants, welche in dieser Zeit deutlich gestiegen war, als sehr positiv von den Nutzern wahrgenommen.
Mit Blick auf die unteren (1 und 2 Sterne) sowie die oberen (4 und 5-Sterne) Bewertungsbereiche, lässt sich erkennen, dass bei den 4- bis 5-Sterne-Bewertungen die Themen „Auswahl und Bedienung (der App)“ positiv hervorstechen. Dabei geht es den Kunden um eine große, gute Auswahl an Restaurants sowie eine einfache, intuitive Bedienung der App.
Die 1- bis 2-Sterne-Bewertungen sprechen vor allem die Lieferzeit und monetäre Aspekte wie Trinkgeld, Gutschein und Geld im Allgemeinen an – deutlich häufiger als die zufriedenen Kunden.
Im Vergleich zwischen iOS und Android ist des weiteren zu erkennen, dass iOS Bewertungen deutlich öfters über die monetärenThemen sprechen, wie Android. Hierher kommt auch die überdurchschnittliche Abweichung zwischen Ratings und Reviews, welcher zu Anfang erwähnt wurde
Zusammenfassend
Prinzipiell kann Lieferando mit einer sehr schönen und einfachen Customer Journey und Customer Experience dienen.
Viele Kunden wünschen sich jedoch mehr Kulanz bei Nichtzustellung von Bestellungen und eine transparente und flexiblere Trinkgeldvergabe.
Tendenziell immer positiv wurden Themen rund um „Essen, Auswahl und Lieferung“ erwähnt, auch die Bestellung wird als sehr einfach empfunden.
Die Treiberanalyse zeigt aber, dass die finanziellen Aspekte – also in Bezug auf Lieferando die Themen „Geld und Gutschein“ – unglaublich wichtig für eine erfolgreiche und positive Kundenerfahrung sind.
Auch wenn die monetären Themen nicht die meistgenannten darstellen, so ist ihr Einfluss, wenn darüber gesprochen wird, sehr, sehr hoch. Hier besteht also für Lieferando viel Potenzial, um die Kundenerfahrung noch besser zu machen.